NOTARZT 2012; 28(06): 254-256
DOI: 10.1055/s-0032-1327220
Fortbildung
Der toxikologische Notfall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wochenenddepressionen

F. Martens
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Klinik für Nephrologie und internistische Intensivmedizin (komm. Direktoren: Prof. Dr. A. Jörres und Prof. Dr. R. Schindler)
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Publication Date:
13 December 2012 (online)

Fall 1

Der Notarzt wird am frühen Samstag gegen 4 Uhr zum Stichwort „Plötzliche Bewusstlosigkeit“ in eine Mietwohnung alarmiert. Fast zeitgleich trifft er mit der Besatzung des RTW an der Wohnungstür ein, wo eine etwa 50-jährige Frau wartet und immer wieder ruft „helft ihm“. Nach verbaler Beruhigung zeigt sie schließlich den Patienten, ihren Ehemann, der gegen 2 Uhr nach einem Ehestreit zu Bett gegangen sei und den sie jetzt in Erbrochenem nicht ansprechbar im Bett vorgefunden habe. Sie erklärte, eine Vergiftung zu vermuten, da sämtliche ihrer Depressionspillen fehlten.

Die Untersuchung zeigt einen tief bewusstlosen, 50-jährigen Mann, in Rückenlage auf dem Bett in Erbrochenem liegend. Auf Schmerzreiz erfolgt lediglich eine Streckung der Extremitäten. Pulsoxymetrisch wird eine Sättigung von 75 % bestimmt, der Blutdruck liegt bei 110/55, die Herzfrequenz bei 120/min. Nach Legen von 2 peripheren Verweilkanülen und Gabe von Propofol gelingt problemlos die orotracheale Intubation. Unter der dann begonnenen maschinellen Beatmung mit 50 % O2, PEEP + 5, steigt die Sättigung auf 98 % an. Im erneuten Gespräch mit der Ehefrau über deren an der Tür geäußerten Verdacht der Vergiftung präsentiert diese leere Blister von Cipramil®, insgesamt maximal 4400 mg Citalopram sowie Blister von Amineurin®, insgesamt maximal 750 mg Amitriptylin.

Da seit der mutmaßlichen Einnahme der beiden Antidepressiva gerade 2 Stunden vergangen sein konnten, entschließt sich der Notarzt, eine dünne nasogastrale Sonde zu legen und darüber 50 g aufgeschwemmte Aktivkohle zu instillieren. Anschließend bringt er den Patienten in eine nahegelegene Klinik.

Dort wird er auf die Intensivstation übernommen. Im EKG findet sich ein leicht tachykarder Sinusrhythmus; die QTc-Dauer liegt mit 468 ms noch im Normbereich. Das nach der Einlage eines zentralvenösen Katheters angefertigte Röntgenbild des Thorax zeigt beidseitige, streifenförmige Verdichtungen, die im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Erbrechen als Aspirationsfolge gedeutet werden.

In den folgenden Tagen kommt es zu einer raschen Besserung der Lungenfunktion und am dritten Tag kann der Patient bei inzwischen ausreichender Vigilanz extubiert werden. Nach weiterem Aufklaren wird er am Folgetag dem Psychiater vorgestellt, der im Gespräch 2 weitere Suizidversuche durch Erhängen in der Vergangenheit eruieren kann. Zum aktuellen Suizidversuch bestand eine Amnesie. Schließlich wird der Patient zur Therapie seiner offenbar bestehenden Depression in eine stationäre Psychiatrieeinrichtung verlegt.