Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2025; 60(06): 357-370
DOI: 10.1055/a-1727-8683
Fortbildung

Schwangerschaftsabbruch, Fehl-, Tot- und palliative Geburt

Implikationen für die AnästhesiologieAnesthetic Considerations in Pregnancy Terminations, Miscarriages, Stillbirths, and Neonatal Palliative CareClinical Management and Ethical Challenges
Celina Wolters
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Phil Niggemann
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Rick Enste
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Lars Garten
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Matthias David
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Claudia Spies
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Lutz Kaufner

Diese Übersicht beleuchtet zentrale anästhesiologische Aspekte bei Schwangerschaftsabbruch, Fehl- und Totgeburt sowie bei palliativer Versorgung Neugeborener.

Kernaussagen
  • Maßgeblich für die Wahl des geburtshilflich-gynäkologischen und etwaigen anästhesiologischen Verfahren im Schwangerschaftsverlust oder im Schwangerschaftsabbruch sind das Gestationsalter post conceptionem (p. c.) oder post menstruationem (p. m.) und das Geburtsgewicht.

  • Im Falle einer Sedierung im Rahmen eines operativen Schwangerschaftsabbruchs bis SSW 12 0/7 p. c. sollte auch ohne ärztlich-anästhesiologische Begleitung aufgrund des Risikos der Atemdepression auf geschultes Personal, entsprechende Ausrüstung, Kontrolle der Vitalzeichen und die Möglichkeit des Atemwegsmanagements geachtet werden.

  • Die Wahl des Anästhesieverfahrens sollte nicht durch mögliche strukturelle oder finanzielle Einschränkungen maßgeblich beeinflusst werden dürfen.

  • Das Anästhesieverfahren sollte gemeinsam mit der informierten Patientin gewählt werden, wobei mögliche psychische Einschränkungen oder z. B. der Wunsch der Patientin nach einer bewussten Teilnahme an dem Eingriff oder der explizite Wunsch, nichts von dem Eingriff mitbekommen zu wollen, berücksichtigt werden sollten.

  • Sofern eine anästhesiologische Beteiligung gewünscht oder geplant ist, sollten Anästhesist*innen im Vorfeld ärztlich durch die Geburtsmediziner*innen über das geplante Verfahren sowie die besondere Situation der Patientin informiert werden (z. B. bei Totgeburten > 24 SSW, palliative Geburt).

  • Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, solange die Frau nicht unmittelbar in Lebensgefahr ist oder ihr eine schwere Gesundheitsschädigung droht. Behandler*innen (Geburtsmedizin, Anästhesie, Funktionsdienste etc.) haben das unmittelbare Recht gegenüber der Patientin, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse, die Behandlung ohne Angabe von Gründen abzulehnen (Weigerungsrecht), auch wenn die Einrichtung Teil der Landesvorhaltung für den Schwangerschaftsabbruch ist.

  • Anästhesist*innen können im Rahmen der mütterlichen Betreuung zur Geburt/Sectio in die Palliativversorgung Neugeborener einbezogen sein. Während eines unmittelbar postnatal einsetzenden Sterbeprozesses besteht bei vaginal geborenen Neugeborenen und für extrem unreife Frühgeborene eine gewisse physiologische Analgosedierung durch hohe Vasopressinspiegel, Hyperkapnie und Hypoxie.



Publication History

Article published online:
13 June 2025

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