NOTARZT 2025; 41(01): 33-38
DOI: 10.1055/a-2491-5118
Notfallmedizin Basics

Behandlung von Intoxikationen im Rettungsdienst

Prehospital Care of Poisoning
Mareike Soltau
 

Intoxikationen betreffen den Rettungsdienst zumeist als Alkohol- oder Drogennotfälle. In unklaren Einsatzsituationen kann eine Vergiftung als Differenzialdiagnose zugrunde liegen. Hier helfen die Toxidrome, den Verdacht zu erhärten, die Substanzklasse einzugrenzen und eine passende Therapie einzuleiten. In diesem Artikel geht es um das richtige Management bei der Beurteilung und Behandlung solcher Patienten mithilfe der Toxidrome.


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Abstract

Poisonings with alcohol and drugs are important causes of emergency calls. Occasionally the emergency medical service team will meet patients being critically ill for unknown causes. Poisoning could be one explanation. Toxidromes can help identifying differential diagnoses and the appropriate antidot for the poisoning at hand. This article describes the prehospital management of intoxication using toxidromes.


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Vergiftungen im prähospitalen Kontext

Wenn das Einsatzstichwort „Intoxikation“ auf dem Melder steht, ist das alarmierte Rettungsdienstteam auf der Anfahrt oft gedanklich intensiv mit Vorüberlegungen beschäftigt. Liegt ein lebensbedrohlicher Notfall vor oder ist es eher ein Bagatelleinsatz? Wie kam es zur Gifteinnahme? Gibt es ein Antidot und wie sieht das richtige Vorgehen aus? Ist der Patientenzustand stabil oder zeitlich dynamisch? Gerät das Team gleich selbst in Gefahr und wie kann man sich schützen?

Die Sorge vor Eigengefährdung und Unsicherheiten bei der zielgerichteten Behandlung können die Behandlungsqualität negativ beeinflussen. Erfahrungen mit speziellen Vergiftungen sind selten und so kann das beteiligte Team meistens nicht auf eine bekannte Abfolge von Maßnahmen zurückgreifen.

Viele dieser Einsätze sind im Nachhinein rettungsdienstlich gut beherrschbar. Im Gegensatz dazu sieht sich das Behandlungsteam bei Patienten in kritischem Zustand vor mehrere Herausforderungen gestellt. Vitalparameter und Bewusstsein können fluktuieren oder sich schlagartig verschlechtern. Es bleibt unklar, welche Symptome der Patient im Verlauf entwickeln wird. Auch haben die Einsatzkräfte das Bestreben, möglichst viele Informationen am Einsatzort zu sammeln und den Patienten gleichzeitig zügig einer definitiven Therapie im Krankenhaus zuzuführen.

Neben dem allgemeinen Untersuchungs- und Behandlungspfad nach ABCDE (A: Atemwege, B: Beatmung, C: Kreislauf; D: neurologisches Defizit; E: Exploration) und einer gründlichen Anamnese kann auch das zuständige Giftinformationszentrum telefonisch bei der Behandlung unterstützen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Intoxikation mit einer Substanz bereits bekannt ist. Bei Notfallpatienten mit unklaren neurologischen oder kardiopulmonalen Auffälligkeiten ist das nicht unbedingt der Fall. Sie können durch eine strukturierte Überprüfung der Toxidrome auf eine Intoxikation klinisch gescreent werden.


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Epidemiologie

Im Jahr 2023 sind in Deutschland 1804 weibliche und 2712 männliche Personen an Vergiftungen gestorben und damit rund 500 Menschen mehr als im Vorjahr. Das spiegelt sich auch in einer minimal gestiegenen Inzidenz von Intoxikationen wider [1]. Bis auf insgesamt 12 Fälle im Kindesalter handelt es sich um eine Todesursache, die vor allem erwachsene Menschen betrifft. Glücklicherweise enden die meisten Vergiftungen nicht tödlich. Außerdem ist nicht jede Gifteinnahme gleichbedeutend mit einer klinisch manifesten Intoxikation.

Merke

Die akzidentelle Vergiftung ist mit 70% wesentlich häufiger als eine suizidale oder missbräuchliche Substanzeinnahme. Bei Rettungsdienstalarmierung liegt nicht unbedingt schon die volle Vergiftungssymptomatik vor. Diese kann sich im Verlauf erst ausprägen.

Das Giftinformationszentrum Nord (GIZ Nord) ist bis auf Mecklenburg-Vorpommern für alle norddeutschen Bundesländer zuständig. Im Jahr 2023 wurden dort 45449 Vergiftungen und Vergiftungsverdachtsfälle registriert.

Eine klassische Risikogruppe sind Kinder zwischen 1 und 4 Jahren. Typische Noxen sind in der Infobox aufgeführt. Arzneimittel und Chemikalien sind dem Jahresbericht des GIZ Nord nach über alle Altersklassen hinweg die weitaus häufigste Ursache für Vergiftungen in Norddeutschland. Sie führen auch mit Abstand am häufigsten zu schweren Vergiftungserscheinungen und sind für fast alle Todesfälle, die dem GIZ Nord bekannt sind, verantwortlich [2].

Infobox

Ursachen für Vergiftungen im Kindesalter sortiert nach Häufigkeit

  • Chemikalien

  • Arzneimittel

  • Pflanzen

  • Hygiene- und Kosmetikartikel

  • Nahrungsmittel

  • Genussmittel

In den 1970er Jahren prägte der New Yorker Pädiater und Toxikologe Howard Mofenson den Begriff der Toxidrome. Sein Ziel war es, akut lebensgefährlich vergiftete Kinder in der Notaufnahme schneller erkennen und behandeln zu können. Er fasste zu diesem Zweck Symptomkomplexe bei Intoxikationen mit Giften gleicher Stoffgruppen zusammen. Aus der Identifikation des entsprechenden Toxidroms leitete er direkt die passende Behandlung ab, ohne einen laborchemischen Toxinnachweis abzuwarten. Das Outcome verbessert sich bei Notfallpatienten, je schneller die Vergiftung behandelt wird [3] [4].

Merke

Toxidrom = Toxin + Syndrom

Dieses Vorgehen wurde in den darauffolgenden Jahren auch auf Erwachsene angewandt und hat sich seither in der Notfallmedizin weltweit etabliert. Dabei haben sich 5 Toxidrome als notfallmedizinisch relevant erwiesen: das sympathomimetische, das anticholinerge, das cholinerge, das opioide und das sedativ-hypnotische Toxidrom [5] [6]. Wesentliche Unterschiede zwischen den Toxidromen sind in [Abb. 1] dargestellt.

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Abb. 1 Wesentliche Untersuchungsbefunde der verschiedenen Toxidrome; Pupillenstatus, Blutdruck, Herzfrequenz, Sekretion von Speichel und Schweiß helfen bei der Unterscheidung der Toxidrome (Quelle: Mareike Soltau).

Nicht jeder Patient zeigt alle Symptome eines Toxidroms, und der Schweregrad der Symptomatik ist ebenfalls individuell.

Leichtere Vergiftungen mit unspezifischen gastrointestinalen Symptomen werden durch die Toxidrome nicht erfasst. Ebenso passen Vergiftungen, die eher Langzeitschäden als akute Lebensgefahr auslösen, nicht gut in das Toxidromsystem. Dazu gehört zum Beispiel Paracetamol, das ab einer Dosis von 60 mg/kg zu einem irreparablen Leberschaden führt. Auch Rauchgas- und Schwermetallvergiftungen verursachen schwere Gesundheitsschäden, sind jedoch nicht durch die Toxidrome detektierbar. Der Verdacht ergibt sich hier eher aufgrund der Einsatzsituation oder der Anamnese.


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Differenzialdiagnosen von Intoxikationen

Eine lebensbedrohliche akute Giftwirkung tritt oft dann ein, wenn das vegetative Nervensystem direkt oder indirekt gestört wird. Lebensgefahr entsteht auch, wenn durch die Wirkung auf zerebrale Neurotransmittersysteme eine schwere Bewusstseinsstörung auftritt.

Patienten mit einer akuten zerebralen Dysfunktion sieht man im Rettungsdienst häufig. Dahinter können sich eine lokale oder globale Hypoxie, eine metabolische Entgleisung oder eine Imbalance der Neurotransmitter verbergen. In [Tab. 1] sind mögliche Diagnosen aufgeführt, bei denen eine Intoxikation als Differenzialdiagnose in Frage kommt. Diese sollte man immer dann bedenken, wenn beim neurologischen Defizit der Verdacht auf eine Vergiftung im Raum steht. Nicht die reine Aufnahme einer Substanz stellt eine Vergiftung dar, sondern die Effekte einer übermäßigen Wirkung.

Tab. 1 Mögliche Differenzialdiagnosen einer Intoxikation mit Unterscheidungsmerkmalen.

Differenzialdiagnose

Unterscheidungsmerkmale

ischämischer Schlaganfall

Paresen sprechen gegen eine Intoxikation.

Hirnblutung

Pupillendifferenzen kommen bei Hirndruck vor und bei Vergiftungen nicht.

Sepsis

ggf. Fokus identifizierbar, ggf. hohes Fieber

Elektrolytentgleisung (z. B. Hyponatriämie)

meist mehrtägige Verschlechterung im Vorfeld

postiktaler Zustand

stetige Verbesserung während der Versorgung, ggf. Zungenbiss

Hypoglykämie

kann durch Blutzuckermessung ausgeschlossen werden

Sofern nicht klare Hinweise auf eine Intoxikation oder eine andere Ursache außerhalb des Gehirns gefunden werden, sollten Patienten mit Verdacht auf ischämischen Schlaganfall oder Hirnblutung immer auch mit dieser Verdachtsdiagnose in der Klinik angemeldet werden. Gleiches gilt, wenn der Patient Zeichen einer Sepsis hat: Wird beispielsweise aufgrund einer fälschlicherweise angenommenen Intoxikation erst verspätet ein Antibiotikum in der Klinik gegeben, kann das dem Patienten schaden. Die Intoxikation kann in diesem Fall als zweite Verdachtsdiagnose angegeben werden.


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Das sympathomimetische Toxidrom

Das Gift entfaltet seine Wirkung durch direkte oder indirekte Aktivierung des Sympathikus: Tachykardie, ein hoher Blutdruck und eine Tachypnoe sind beim Patienten messbar. Tremor, weite Pupillen und Unruhe bis hin zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit kommen typischerweise bei höhergradiger sympathoadrenerger Aktivität vor. Herzrhythmusstörungen können durch die gesteigerte Sensibilität des Myokards entstehen und lebensbedrohlich sein.

Erklären lassen sich die Symptome allesamt über die charakteristischen Aufgaben der Alpha- und Betarezeptoren im Körper. Die Ausprägung der Symptome ist gift- und dosisabhängig. Bei einer größeren Menge Energydrink sind die Symptome in der Regel milder als bei einer Kokainintoxikation.


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Das anticholinerge Toxidrom

Verschiedene Medikamente, pflanzliche Stoffe oder Pilzgifte haben anticholinerge Effekte im menschlichen Körper. Das anticholinerge Potenzial von Medikamenten ist eher als Nebenwirkung zu sehen und betrifft zum Beispiel Spasmolytika, Antipsychotika, antihistaminerge Medikamente und Vertreter der Antidepressiva. Besonders hervorzuheben sind hier die trizyklischen Antidepressiva.

Wird eine größere Menge eines Anticholinergikums eingenommen, beeinflusst es die hemmende Wirkung des Parasympathikus auf das Herz-Kreislauf-System. Es kommt zu einer Tachykardie und einem leichten Anstieg des Blutdrucks. Die Pupillomotorik ist gestört und der Patient durch eine deutliche Mydriasis unter Umständen lichtempfindlich. Körperliche Unruhe und Ausfälle kognitiver Funktionen bis hin zu Bewusstseinsstörungen und Krampfanfällen sind Ausdruck einer klinisch relevanten Giftwirkung im Gehirn. Häufig schwankt der neurologisch-psychische Zustand zwischen Vigilanzminderung und Agitation. Das klinische Bild kann einem hyperaktiven Delir ähneln. Haut und Schleimhäute sind trocken, eventuell überwärmt, und Patienten klagen über einen trockenen Mund. Ein Harnverhalt ist auch bei leichteren Intoxikationen schon möglich.

Ursächlich für ein anticholinerges Syndrom sind meistens kumulative Effekte der Dauermedikation, eine versehentliche Einnahme größerer Mengen oder ein Suizidversuch.

Eine wichtige Differenzialdiagnose ist die Subarachnoidalblutung. Es kommt hier zu großen Überschneidungen von Symptomatik und Patientencharakteristika.

Infobox

Unterschiede sympathomimetisches und anticholinerges Toxidrom

  • Beim anticholinergen Toxidrom kommen öfter kognitive Ausfälle vor.

  • Pektanginöse Beschwerden werden eher von sympathomimetischen Substanzen ausgelöst.

  • Trockene Schleimhäute und fehlendes Schwitzen sind eher anticholinerge Symptome; subjektiv ist ein trockener Mund klassisches Symptom einer Sympathikusstimulation.

  • Störende innere Unruhe beklagen Patienten eher nach Einnahme sympathomimetischer Substanzen.


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Das cholinerge Toxidrom

Vergiftungen mit cholinerg wirkenden Stoffen sind sehr selten, stellen aber eine besondere Herausforderung für die Sicherheit des Behandlungsteams dar. Die Wirkung basiert auf einer massiv gesteigerten Acetylcholinwirkung im zentralen und vegetativen Nervensystem durch Hemmung der Acetylcholinesterase. Organophosphate, wie sie auch weiterhin in Privatbeständen zum Pflanzenschutz existieren, können als Kontaktgifte über Körperflüssigkeiten wie den Schweiß des Betroffenen eine Gefährdung verursachen. Dabei ist zu bedenken, dass Einmalhandschuhe keine Dichtigkeit von 100% aufweisen und die Transmission darüber konzentrationsabhängig ist: Kontakt zu Giftresten erfordert daher besondere Schutzausrüstung! Ein charakteristischer Geruch nach Knoblauch wird oft vom Betroffenen selbst ausgedünstet und kann vor allem in geschlossenen Räumen wahrgenommen werden.

Im Gegensatz zu Anticholinergika verursachen cholinerge Stoffe ein Überwiegen des Parasympathikotonus. Speichel- und Tränenfluss, bronchiale Hypersekretion, Schwitzen, enge Pupillen und eine lebensbedrohliche Bradykardie sind klassische Symptome. Oft liegt bereits ein reanimationspflichtiger Zustand mit erheblicher Gefährdung auch für First-Responder-Kräfte und Angehörige vor. Ursache des Versterbens sind entweder letale Herzrhythmusstörungen oder eine Hypoxie aufgrund der großen Mengen an Bronchialsekret oder einer Bronchospastik [5]. Als Merkhilfe für die Symptome gibt es 2 Akronyme, die in [Tab. 2] beschrieben sind [7].

Tab. 2 Die Leitsymptome des cholinergen Toxidroms [7].

SLUDGE

DUMBBELS

Salivation/Schwitzen

Lakrimation (Tränenfluss)

Urinabgang

Diarrhö

Gastrointestinale Krämpfe

Erbrechen

Diarrhö

Urinabgang

Miosis

Bradykardie

Bronchialsekretion

Erbrechen

Lakrimation (Tränenfluss)

Salivation/Schwitzen

Neben Organophosphaten wirken auch Stoffe, die umgangssprachliche als „Nervengifte“ bezeichnet werden, cholinerg. Dazu gehört zum Beispiel Nowitschok. Organophosphate werden eher in suizidaler Absicht eingenommen, „Nervengifte“ im Rahmen von Tötungsdelikten verabreicht. Die Betroffenen können in leichteren Stadien über Symptome wie Übelkeit, Bauchkrämpfe, Durchfall und Erbrechen klagen und unspezifische Kreislaufbeschwerden zeigen, ohne zu wissen, dass sie vergiftet sind. Die Fülle an Differenzialdiagnosen aus dem Bereich der Bagatellerkrankungen zeigt, wie wichtig eine gründliche Untersuchung, Anamnese und Differenzialdiagnostik auch in der prähospitalen Notfallmedizin ist.


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Das opioide Toxidrom

Intoxikationen mit Opioiden verursachen meistens dann ein Hilfeersuchen, wenn der Patient bewusstlos ist. Nicht immer ist direkt erkennbar, dass es sich um eine Intoxikation handelt. Enge Pupillen und eine Bradypnoe sind neben dem Bewusstseinsverlust klassische Symptome. Eine Kommandoatmung, wie sie für Opioide typisch ist, ist dann meist nicht mehr vorhanden. Blutdruck und Herzfrequenz liegen im Normbereich oder sind leicht erniedrigt, ebenso wie die Körpertemperatur. Nach der Gabe von Naloxon zur Antagonisierung ist die Giftwirkung sehr schnell aufgehoben. Ein Reboundphänomen der Intoxikationssymptome ist je nach Wirkdauer des eingenommenen Opioids möglich, wenn diese die eher kurze Naloxonwirkung überschreitet.


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Das sedativ-hypnotische Toxidrom

Sedativa führen dosisabhängig zu einer GABA-ergen Hemmung (GABA: Gamma-Aminobuttersäure) exzitatorischer Neuronen im Gehirn. Dadurch kommt es graduell zu Bewusstseinsstörungen. Wurde eine größere Menge eingenommen, kann eine Atemdepression auftreten und der Patient letztlich an einer Hypoxie versterben. Die Schutzreflexe erlöschen und Atemwege können nicht mehr selbstständig offengehalten werden.

Die Abgrenzung des sedativ-hypnotischen Toxidrom von neurologischen Notfällen wie einem Schlaganfall oder einem postiktalen Zustand gelingt nur mithilfe anamnestischer Informationen oder wenn die Einsatzszenerie Rückschlüsse darauf zulässt. Geruch nach Alkohol, leere Schlaftablettenblister, ein Abschiedsbrief und andere Beobachtungen können den Verdacht begründen. Eine sichere Diagnose ist prähospital kaum möglich.


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Management von Vergiftungen im Rettungsdienst

[Abb. 2] zeigt einen möglichen Behandlungspfad zum Umgang mit der Verdachtsdiagnose Intoxikation im Rettungsdienst. Die Behandlung von akuter Lebensgefahr findet zunächst symptomatisch statt wie bei anderen Notfällen auch. Die Verdachtsdiagnose Intoxikation sollte gut begründet und der zeitliche Verlauf genauso wie die vermutlich aufgenommene Giftmenge gut dokumentiert werden. Auch wenn es sich bei dem Notfall um einen Suizidversuch handelt, sollte der Patient internistisch und nicht primär psychiatrisch behandelt werden, da sich die Lebensgefahr eventuell erst in der Klinik einstellt und dann ggf. intensivmedizinische Maßnahmen erfordert.

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Abb. 2 Präklinische Vorgehensweise beim Verdacht auf eine Intoxikation oder bei unklarem Notfall [8] [9] [10] [11] (Quelle: Mareike Soltau).

In Deutschland besteht durch die sektorale Aufteilung der Zuständigkeitsgebiete überall die Möglichkeit, rund um die Uhr ein Giftinformationszentrum zu kontaktieren. Die Option, sich von einem Experten beraten zu lassen, sollte insbesondere auch in dynamischen Einsatzsituationen mit einem kritischen Patienten genutzt werden – spätestens, wenn dieser nicht adäquat auf die bisherigen Therapieversuche reagiert. Der Fall kann später in der Klinik durch das Giftinformationszentrum telefonisch weiter betreut und die dortigen Kollegen zu spezifischen Therapien beraten werden.


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Zusammenfassung

Zusammengefasst bietet die Anwendung der Toxidrome in der Präklinik den Vorteil, bei bekannter Gifteinnahme eine beginnende Giftwirkung frühzeitig zu erkennen. Sie machen die Intoxikation als primär eher grobe Verdachtsdiagnose genauer überprüfbar und bieten einen direkten Link zwischen Diagnose und Behandlung, ohne das Gift genau kennen zu müssen. Dies sollte allerdings nicht unkritisch erfolgen, sondern nach ausreichenden differenzialdiagnostischen Überlegungen und bestenfalls unter Einbezug der Expertenhilfe aus dem zuständigen Giftinformationszentrum.

Kernaussagen
  • Patienten mit schweren Vergiftungen haben Störungen des vegetativen Nervensystems und des Bewusstseins.

  • Toxidrome sind am Patienten einfach zu überprüfen und helfen, den Verdacht auf eine Intoxikation zu erhärten oder einzugrenzen.

  • Die Behandlung eines Patienten mit Vergiftungserscheinungen erfolgt durch die Anwendung der Toxidrome schneller und bedarf keiner toxikologischen Untersuchung vor Therapiebeginn. Das steigert die Überlebenschancen des Patienten.

  • Die Giftinformationszentren helfen auch prähospital bei der richtigen Versorgung von Patienten mit Vergiftungen.


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Dr. med. Mareike Soltau


2007–2013 Studium der Humanmedizin an der Universität Hamburg. 2013–2019 Facharztausbildung Anästhesiologie, 2016 Zusatzweiterbildung Notfallmedizin, 2021 Zusatzweiterbildung Intensivmedizin. Seit 2019 Fachärztin für Anästhesiologie, seit 2023 Oberärztin in der Abteilung für Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin des BG Klinikums Hamburg.

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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Mareike Soltau
Abteilung für Anästhesie, Intensiv-, Rettungs- und Schmerzmedizin, BG Klinikum Hamburg
Bergedorfer Straße 10
21033 Hamburg
Deutschland   

Publication History

Article published online:
03 February 2025

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Abb. 1 Wesentliche Untersuchungsbefunde der verschiedenen Toxidrome; Pupillenstatus, Blutdruck, Herzfrequenz, Sekretion von Speichel und Schweiß helfen bei der Unterscheidung der Toxidrome (Quelle: Mareike Soltau).
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Abb. 2 Präklinische Vorgehensweise beim Verdacht auf eine Intoxikation oder bei unklarem Notfall [8] [9] [10] [11] (Quelle: Mareike Soltau).