PSYCH up2date 2025; 19(01): 6
DOI: 10.1055/a-2476-8276
Studienreferate

rTMS bei therapieresistenter Altersdepression

Contributor(s):
Arnim Quante
Leuchter MK, Citrenbaum C, Wilson AC. et al.
The effect of older age on outcomes of rTMS treatment for treatment-resistant depression.

International Psychogeriatrics 2024; 1-6
DOI: 10.1017/S1041610224000462
 

    Therapieresistenten Depressionsverläufe sind im höheren Lebensalter häufiger als bei jüngeren Menschen. In einer jüngst veröffentlichen Studie lagen die Responseraten auf ein erstes Antidepressivum zwischen 19 und 45%. Im Vergleich dazu liegen die allgemeinen Ansprechraten bei ungefähr 50%. Hinzu kommt, dass ältere Menschen mehr unter Nebenwirkungen zu leiden haben. Wenn mindesten 2 Therapieversuche in adäquater Dosis und Dauer keinen Therapieerfolg zeigen, spricht man von Therapieresistenz (TRD), bei welcher u.a. Augmentationsstrategien und/oder Stimulationstherapien (EKT, rTMS) zum Einsatz kommen. Während Augmentationsstrategien und auch die EKT häufiger mit Nebenwirkungen behaftet sind und gerade die EKT nicht überall verfügbar ist oder abgelehnt wird, hat die rTMS aufgrund der guten Verträglichkeit Vorteile, sofern keine wahnhafte depressive Symptomatik vorliegt. Die Studienlage zur Effektivität der rTMS bei älteren Menschen ist jedoch uneinheitlich. So zeigte sich in einer Subgruppenanalyse einer Studie, dass die rTMS zwar einerseits genauso effektiv sein kann wie bei jüngerem Menschen, dieser Effekt jedoch später eintritt.


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    In einer retrospektiven Untersuchung haben US-Amerikanische Wissenschaftler 687 Patienten zwischen 16 und 100 Jahren mit therapieresistenter Depression, die eine rTMS erhielten, wöchentlich hinsichtlich der Depressionsschwere und anderer Parameter untersucht. Mindestens 30 rTMS-Behandlungen wurden durchgeführt. Zur Einschätzung der Symptomschwere und –Verbesserungen wurden neben der Hamilton-Depressionsskala (HDRS) das Patient-Health Quetionnaire (PHQ) sowie 2 Selbsteinschätzungs-Skalen für Depressionen (IDS-SR und POMS) erfasst. Zudem wurden die Ansprechraten (mindestens 50% Besserung) und die Remissionsraten (u.a. HDRS-score ≤7 Punkte) erhoben. 153 Patienten waren über 60 Jahre alt. In der logistischen Regressionsanalyse konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den jüngeren (unter 60 Jahre) und den älteren (über 60 Jahre) Patienten hinsichtlich der Ansprechraten festgestellt werden. Bezüglich der Remissionsraten zeigten sich anhand der PHQ-Werte signifikant mehr ältere Patienten in Remission im Vergleich zu der jüngeren Kohorte (OR: 1,66), während kein signifikanter Unterschied bei den anderen Skalen feststellbar war. In der POMS-Skala erreichten jüngere Frauen im Vergleich zu älteren Männern signifikant häufiger eine Remission, wenn auch nur in geringem Maße (OR: 0,3). Insgesamt lagen die Remissionsraten bei jüngeren Patienten bei 31%, bei älteren Patienten bei 36%. Höhere scores beim IDS ging bei älteren Patienten jedoch mit einer schlechteren Remissionsrate einher. Ein frühes Ansprechen von 10% nach der 5. Behandlung oder von 20% nach der 10. Behandlung als Prädiktor für eine Response oder Remission im weiteren Verlauf konnte für keine Altersgruppe detektiert werden.

    Fazit

    Insgesamt konnte also kein Unterschied bezüglich der Wirksamkeit der rTMS bei therapieresistenten Depressionen bei älteren im Vergleich zu jüngeren Menschen festgestellt werden. Die IDS könnte ein möglicher Prädiktor für das Ansprechen / die Remissionswahrscheinlichkeit im höheren Lebensalter sein. Allerdings sind gerade therapieresistenten Verläufe von einer Reihe von Co-Variablen abhängig, die in dieser Studie nicht erfasst wurden. Im Längsschnitt wurden die Häufigkeit und Schwere frühere (therapieresistenter) depressiver Episoden nicht abgefragt. Auch wurde keine Bereinigung bezüglich verschiedener Substanzklassen der Antidepressiva durchgeführt. Diejenigen älteren Patienten, die die Studie regulär beendeten, waren im Schnitt 3,5 Jahre jünger, so dass es durchaus sein kann, dass noch ältere Patienten ggf. doch schlechter ansprechen könnten. Es wurde zudem ein dichtomisierter Altersvergleich mit einer Grenze von 60 Jahren festgelegt, bei dem Übergänge fließend sind und damit fehleranfällig sein können. Je älter Patienten sind, desto höher ist auch das Risiko für kognitive Defizite und desto schlechter könnte auch das Ansprechen sein. Leider wurden keine kognitiven Defizite anhand von Screening-Tests oder neuropsychologischen Testungen erfasst, so dass diesbezüglich auch keine Aussage getroffen werden kann. Eine randomisierte, sham-kontrollierte Studie mit definierten Kriterien bezüglich Alter, kognitiven Status, früheren (therapieresistenten) Verläufen und einer standardisierten antidepressiven Therapie könnte für eine fundierte Aussage hilfreich sein. Dennoch kann mithilfe dieser Studie festgehalten werden, dass die rTMS auch bei älteren Patienten effektiv und daher eine gute Alternative für invasivere Verfahren sein kann.

    PD Dr. med. Arnim Quante, Berlin


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    Korrespondenzadresse

    PD Dr. med. Arnim Quante
    Charité - Campus Benjamin Franklin - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
    Hindenburgdamm 30
    12203 Berlin
    Deutschand   

    Publication History

    Article published online:
    24 January 2025

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