Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2025; 60(01): 7-8
DOI: 10.1055/a-2453-6283
Neues aus der Forschung

Optimaler Zeitpunkt für eine Nierenersatztherapie bei komatösen Patienten

Contributor(s):
Elke Ruchalla
Rambaud T. et al.
Renal replacement therapy initiation strategies in comatose patients with severe acute kidney injury: a secondary analysis of a multicenter randomized controlled trial.

Intensive Care Med 2024;
50: 385-394
DOI: 10.1007/s00134-024-07339-1
 

    Eine akute Enzephalopathie in Form eines Komas oder eines Delirs ist bei schwerkranken Patienten auf der Intensivtherapiestation keine Seltenheit. Tritt bei komatösen Patienten nun eine akute Niereninsuffizienz (Acute Kidney Injury, AKI) auf, die eigentlich eine Nierenersatztherapie benötigen würde, stellt sich die Frage nach dem Beginn diese Therapie.


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    Es gibt Experten, die den Einsatz deutlich verzögern wollen, wenn keine Kontraindikationen (schwere Hyperkaliämie, metabolische Azidose, Hypervolämie u. a.) vorliegen. Andere Wissenschaftler sprechen sich für einen früheren Einsatz aus. Wie die beiden Strategien sich bei komatösen Patienten auf das Erwachen aus dem Koma auswirken, ist jedoch unklar. Rambaud et al. haben eine Post-hoc-Analyse einer randomisierten Studie durchgeführt, die in dieser Patientengruppe 2 verzögerte Strategien verglichen hat, die eine mehr, die andere weniger. Koma war hier definiert als Punktwert ≤ −3 auf der Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS).

    Eine Randomisierung erfolgte, wenn die Patienten seit > 72 h eine Oligurie aufwiesen und/oder die Konzentration des Harnstoff-Stickstoffs auf > 112 mg/dl anstieg. Dann wurden die Patienten nach dem Zufallsprinzip 1 von 2 Gruppen zugewiesen:

    • Beginn der Nierenersatztherapie sofort nach Randomisierung (n = 90, Gruppe 1) oder

    • weitere Verzögerung der Nierenersatztherapie, bis entsprechende Komplikationen auftraten oder die Konzentration des Harnstoff-Stickstoffs auf > 140 mg/dl anstieg (n = 78, Gruppe 2).

    Als Endpunkt überprüften die Forscher bis Tag 28 den neurologischen Zustand der Patienten anhand der RASS:

    • Tod

    • Koma (RASS ≤ −3)

    • unvollständiges Erwachen aus dem Koma (RASS −3 bis −2 Punkte)

    • beginnendes Erwachen aus dem Koma (RASS zwischen −1 [Augenöffnen auf Ansprache über ≥ 10 s] und +1 [Ängstlichkeit, aber ohne Aggressivität] über 2 aufeinanderfolgende Tage)

    • Agitation (RASS ≥ +1)

    und setzten die Strategie für die Nierenersatztherapie dazu in Beziehung.

    Die Auswertung ergab in Gruppe 2 eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit, schnell aus dem Koma aufzuwachen (Hazard Ratio 0,36):

    • Patienten der Gruppe 1 verbrachten im Median zwischen Randomisierung und Tag 28 10,1 h im Wachzustand,

    • gegenüber 7,63 Tagen bei den Patienten in Gruppe 2.

    Zwei Sensitivitätsstudien, die den Sedierungsstatus und das Sedierungsprotokoll berücksichtigten, kamen im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen.

    Fazit

    Bei komatösen Patienten mit akutem Nierenversagen führt eine lang abwartende Strategie bis zum Einsatz einer Nierenersatztherapie zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit für ein Erwachen bzw. einer längeren Dauer für den Übergang vom Koma zum Wachzustand, fassen die Autoren zusammen. Allerdings darf man den richtigen Zeitpunkt für den Organersatz nicht verpassen, da sich über die Zeit urämische Toxine ansammeln und Endorganschäden auftreten können.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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    Publication History

    Article published online:
    08 January 2025

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