Dtsch Med Wochenschr 2025; 150(01/02): 8-9
DOI: 10.1055/a-2422-1587
Aktuell publiziert

Ovarielle und tief infiltrierende Endometriose: Ovarialkarzinomrisiko fast verzehnfacht

Contributor(s):
Katharina Franke
Barnard ME, Farland LV, Yan B. et al.
Endometriosis Typology and Ovarian Cancer Risk.

JAMA 2024; (332) 482-489
DOI: 10.1001/jama.2024.9210
 

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Patientinnen mit Endometriose ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Ovarialkarzinomen aufweisen. Jetzt konnte gezeigt werden, dass bei manchen Subtypen der Endometriose das Risiko besonders ansteigt.


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Die aktuellen Analysen stützen sich auf eine bevölkerungsbasierte Datenbank des US-amerikanischen Bundestaates Utah (Utah Population Database – UPDB), in der mehr als 11 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner erfasst sind. Die Autor*innen identifizierten innerhalb des Studienzeitraums zwischen 1992 und 2019 insgesamt 78893 Patientinnen mit der Diagnose einer Endometriose, von denen nach Anwendung verschiedener Ausschlusskriterien 78476 für die Auswertungen zur Verfügung standen. 49,8% wiesen eine oberflächliche Endometriose auf, bei 24,1% bestand eine ovarielle Endometriose, 1,3% litten unter einer tief infiltrierenden Endometriose und 1,7% hatten gleichzeitig eine ovarielle und eine tief infiltrierende Endometriose. Zum Zeitpunkt der Endometriose-Diagnose lag das Alter der Betroffenen im Mittel bei 36 Jahren. Es wurde ein 1:5-altersadjustiertes Matching von Frauen mit Endometriose und Frauen ohne Endometriose vorgenommen. Frauen mit Endometriose hatten häufiger als Frauen der Vergleichsgruppe kein Kind entbunden (31% versus 24%) und es wurde bei ihnen im Verlauf häufiger eine Hysterektomie durchgeführt (39% versus 6%). Als primären Endpunkt definierten die Autor*innen die Manifestation eines epithelialen Ovarialkarzinoms. Die mittlere Beobachtungszeit lag bei 12 Jahren.

Ergebnisse

Patientinnen mit Endometriose haben ein um mehr als 4-fach erhöhtes Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken (adjustierte HR 4,20; 95%-KI 3,59–4,91). Dabei war die Wahrscheinlichkeit für die Manifestation eines Ovarialkarzinoms am höchsten bei Frauen mit tief infiltrierender Endometriose und/oder ovarieller Endometriose (aHR 9,66; 95%-KI 7,77–12,00). Wurde nur die Gruppe der Typ-1-Ovarialkarzinome betrachtet, stieg das Risiko bei Patientinnen mit tief infiltrierender und/oder ovarieller Endometriose sogar noch weiter an (aHR 18,96; 95%-KI 13,78–26,08). In der Gesamtgruppe der Patientinnen mit Endometriose ergab sich eine Risikoerhöhung für Typ-1-Ovarialkarzinome um mehr als das Siebenfache (aHR 7,48; 95%-KI 5,80–9,65). Das Risiko für Typ-2-Ovarialkarzinome war um das 2,7-fache erhöht (95%-KI 2,09–3,49). Patientinnen mit oberflächlicher Endometriose wiesen eine 2,8-fache Risikoerhöhung für Ovarialkarzinome insgesamt auf (95%-KI 2,27–3,51). Das zusätzliche Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, wurde bei Patientinnen mit Endometriose auf 9,9 Fälle pro 10000 Frauen innerhalb von 12 Jahren beziffert.

Zu möglichen pathophysiologischen Zusammenhängen zwischen Endometriose und Ovarialkarzinomen existieren mehrere Theorien. Zum einen wird die Endometriose als Vorläuferläsion bestimmter Ovarialkarzinome diskutiert. Weiterhin scheint es eine gemeinsame genetische Prädisposition zu geben. Aber auch hormonelle Faktoren könnten eine Rolle spielen: Die Anzahl der Ovulationszyklen im Leben einer Frau korreliert sowohl mit der Endometriose als auch mit der Auftretenswahrscheinlichkeit von Ovarialkarzinomen. Auf der anderen Seite könnten eine orale Kontrazeption bzw. eine Hysterektomie bei Patientinnen mit Endometriose vor der Entwicklung eines Ovarialkarzinoms schützen.

Fazit

Patientinnen mit Endometriose haben ein mehr als 4-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms. Liegt eine ovarielle bzw. tief infiltrierende Endometriose vor, steigt das Risiko sogar noch weiter an. Zukünftige Studien sollten auf zugrunde liegende pathophysiologische Prozesse fokussieren, um Strategien des Screenings, der Prävention und Therapie zu verbessern, so die Autor*innen.


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Dr. med. Katharina Franke, Darmstadt


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Publication History

Article published online:
11 December 2024

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