OP-Journal 2025; 41(01): 67-69
DOI: 10.1055/a-2414-9215
Über den Tellerrand

Effizienzsteigerung durch Einführung eines RFID-Implantat-Management-Systems

Efficiency Improvement through Implementation of an RFID Implant-Management-System
Carlos Pankratz
1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland (Ringgold ID: RIN27197)
,
Halime Güzelel-Skrabal
2   OP-Pflege, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
,
Tobias Geyer
3   Materialwirtschaft OP, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
,
Florian Gebhard
1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland (Ringgold ID: RIN27197)
› Author Affiliations
 

Im Zentral-OP (ZOP) herrscht generell ein hoher Warenumsatz. Die genaue Erfassung von Materialien und Implantaten ist für effiziente Arbeitsprozesse hierbei essenziell. Der Einsatz kabelloser Radio-Frequency-Identification-Technologie (RFID) kann die Effektivität von Lieferketten steigern und so helfen Kosten zu senken. In Kooperation mit einem Industriepartner haben wir im ZOP unserer Klinik erfolgreich ein RFID-basiertes Implantat-Management-System etabliert.


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Hintergrund

Die Radio-Frequency-Identification-Technologie (RFID) findet bereits seit Jahrzehnten Anwendung im modernen Lieferkettenmanagement. Man versteht hierunter den berührungslosen Datenaustausch zwischen einem RFID-Transponder und einem RFID-Schreib-/Lesegerät. Zum Einsatz kommen spezielle RFID-Tags (RFID-Labels), die auf den Verpackungen der verwalteten Produkte angebracht sind (Infobox). Jedes Produkt wird durch seinen „Tag“ eindeutig identifiziert, sodass eine lückenlose Nachverfolgung und Zuordnung aller relevanten Daten, wie Bezeichnung, Artikelnummer oder Verfallsdatum, in der entsprechenden Software möglich ist.

Radio Frequency Identification (RFID)
  • Technologie zur kontaktlosen Identifikation und Verfolgung von Objekten mittels elektromagnetischer Felder

  • Ein RFID-System besteht aus einem Transponder (Tag) mit einer Antenne und einem Lesegerät (Reader).

  • Unterscheidung in passive (keine eigene Energiequelle, kurze Reichweite), semipassive und aktive Tags (mit eigener Energiequelle, längere Reichweite)

  • Der Reader sendet ein Signal zur Aktivierung des Tags, der daraufhin seine gespeicherten Informationen zurücksendet.

  • Exemplarische Einsatzbereiche sind Logistik (Bestandsverwaltung), Einzelhandel (Diebstahlsicherung), Produktion (Fertigungssteuerung) oder Zugangskontrollsysteme.

  • Vorteile sind eine schnelle, genaue Datenerfassung und kontaktlose Kommunikation.

Als mögliche Nachteile werden hohe Anschaffungskosten, Datenschutzbedenken und ein hoher Implementierungsaufwand diskutiert.

Beim Zentral-OP (ZOP) handelt es sich um einen der materialintensivsten Bereiche im Krankenhaus mit einem großen Umsatz an Waren verschiedener Gruppen. Bedingt durch das europäische Medizinproduktegesetz wurde in den letzten Jahren der Großteil der verwendeten Implantate auf einzelverpackte Sterilimplantate umgestellt, was speziell in der Orthopädie und Unfallchirurgie für das Erfassen und Nachbestellen bei herkömmlichem Verfahren einen hohen logistischen Aufwand darstellt. Für eine präzise Kostenkalkulation in den klinischen Abteilungen ist es jedoch unerlässlich, alle Materialien und Implantate genau zu erfassen.

Bislang mussten die Bestände an Implantaten in der Klinik für Unfallchirurgie manuell erfasst, überprüft und eingescannt werden. Auch die Dokumentation der verbrauchten Implantate erfolgte händisch. Die Prozesse waren hierbei personal- und arbeitszeitintensiv sowie teilweise fehleranfällig. Als Haus der Maximalversorgung bestehen zusätzlich kapitalintensive Pufferbestände an Implantaten, die eine regelmäßige Inventur des Bestandes und der Verfallsdaten notwendig machen. Pro Jahr verfallen etwa 5% der Implantate in der Abteilung und müssen entsorgt oder an die Hersteller zurückgesandt werden. Mit dem Ziel, die Logistikprozesse zu optimieren, um so Personal zu entlasten und Kosten zu sparen [1], wurde die Entscheidung für die Etablierung eines RFID-basierten Implantat-Management-Systems getroffen.


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Projektplanung und Durchführung

Gemeinsam mit Johnson & Johnson Medtech begann im November 2020 zunächst eine detaillierte Prozessanalyse der Lieferketten im ZOP der Klinik für Unfallchirurgie. Die Ergebnisse dieses Prozesses konnten im Oktober 2021 präsentiert werden. Anhand dieser Analyse wurde ein RFID-basiertes Logistiksystem für das Implantatemanagement konzipiert. Die Einführung des Systems begann im Februar 2022 mit einer Prüfung und Abstimmung der Rahmenbedingungen. Größte Herausforderung war die Programmierung der Schnittstellen zur Integration der neuen „Care4Today Smart Tracking“-Software in die bestehenden Systeme. Im Januar 2023 wurde das neue RFID-Implantat-Management-System schließlich zunächst in einer Testphase umgesetzt. Hierzu fanden intensive und wiederkehrende Mitarbeiterschulungen der OP-Pflegeteams im ZOP für das neue System statt. Im April 2023 konnte die Testphase erfolgreich abgeschlossen werden. Seither findet nach Erfassung in der „Care4Today Smart Tracking“-Software die lückenlose Dokumentation der verbrauchten Implantate in die digitale Patientenakte über eine speziell erstellte Schnittstelle statt ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Projekt-Roadmap. Meilensteine der Einführung des neuen RFID-Implantat-Management-Systems.

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Ergebnisse

Während der Testphase wurde die Implantaterfassung im ZOP zunächst parallel – d. h. traditionell mittels Papierdokumentation mit Barcode-Scanner und mit dem neuen RFID-System – durchgeführt und miteinander verglichen. Die erfassten Daten zeigten hierbei eine nahezu 100%ige Übereinstimmung. Vereinzelt aufgetretene Abweichungen konnten auf Bedienungsfehler der Systeme zurückgeführt werden.

In einer Versuchsreihe verglichen wir die benötigten Zeiten zur Implantaterfassung während Operationen für die traditionelle händische Vorgehensweise mit der Implantaterfassung über das neue RFID-System ([Abb. 2]). Die traditionelle Dokumentation benötigte durchschnittlich 6,5 min pro Operation. Die Dauer war hierbei vor allem abhängig von der Menge der verbrauchten Implantate. Die Dokumentation mittels RFID-Scanner benötigte durchschnittlich 0,5 min und dies unabhängig von der Menge der verbrauchten Implantate. Während der OP ergibt sich damit für die Implantatdokumentation eine Arbeitszeitersparnis von über 90%.

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Abb. 2 Implantaterfassung im OP. a Scanner zusammensetzen, einschalten, App öffnen. b Patienten-Barcode scannen oder manuell eingeben. c Mit aktiviertem Scanner RFID-Tags auf den Verpackungen verbrauchter Implantate, hier in einem Müllbeutel, mehrfach umkreisen. d Erfasste Implantate werden sofort in der Software angezeigt.

Ein weiterer erheblicher Zeitfaktor war bislang die wiederkehrende Inventur des Implantatbestandes. Diese erfolgt in unserer Abteilung monatlich. Der Arbeitszeitaufwand hierfür betrug für den kompletten Implantatbestand bislang erfahrungsgemäß etwa 36 h im Monat. Mit der neuen Technik muss der aktivierte RFID-Scanner zur Inventur nur noch langsam über die Schubladen der Implantatschränke geführt werden. Die vorhandenen Implantate mit RFID-Tag werden automatisch in Sekunden erfasst und in der Software angezeigt. Der Zeitaufwand für die Inventur reduziert sich hierdurch erheblich und beträgt für eine Komplettinventur von ca. 8000 Artikeln nur noch ca. 1 h ([Tab. 1]).

Tab. 1 Versuchsreihe Komplettinventur des Implantatbestandes mit ca. 8000 Artikeln.

Zeitpunkt

Dauer (hh:mm)

1

01:04

2

00:57

3

00:51

durchschnittliche Dauer

00:57

Ähnliche Beobachtungen konnten wir auch im Wareneingang machen. Bisher mussten hier die gelieferten Artikel mit dem Lieferschein manuell verglichen und kontrolliert werden. Nun können auf dem Handscanner alle erwarteten Wareneingänge auf einem digitalen Lieferschein eingesehen werden. Die gelieferten Artikel sind bereits mit Tags versehen und müssen lediglich gescannt werden. So kann die Lieferung unmittelbar auf Vollständigkeit geprüft werden. Die Zeit für die Wareneingangskontrolle reduzierte sich mit Einführung der RFID-Scanner so von ca. 30 min täglich auf 2 min. Dies entspricht ebenfalls einer Arbeitszeitersparnis von über 90%. Durch die automatische Erfassung in der Software reduzierte sich auch der Arbeitsaufwand für die Einbuchung der Implantate ins Zentrallager.


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Diskussion und Ausblick

Das Materialmanagement im OP bleibt ein Hochkostenbereich in den Kliniken. Ziel ist es, Arbeitsabläufe effektiver zu gestalten, um Personal zu entlasten und Kosten zu senken, ohne an Qualität zu verlieren. Wie in vielen Bereichen kommt es auch hier zur zunehmenden Arbeitsverdichtung bei gleichzeitig hoher Anforderung an die Dokumentation.

Als erstes Universitätsklinikum in Deutschland konnten wir ein RFID-basiertes Implantat-Management-System im ZOP integrieren. Hierdurch konnten wir erheblich Arbeitszeit in allen Bereichen des ZOP und der Lagerlogistik einsparen. Die Einführung des neuen RFID-basierten Implantat-Management-Systems war mit einem umfangreichen Systemimplementierungsaufwand verbunden. Neben der Anschaffung der notwendigen Hardware war die Integration der Software in bestehende IT-Systeme die größte Herausforderung. Die Schulung des Personals war logistisch aufwendig, jedoch war die Akzeptanz für das neue System aufgrund der Arbeitsentlastung von Anfang an hoch.

Durch die Vereinfachung der Dokumentation und die Arbeitszeiteinsparung während der Operation konnte das OP-Pflegepersonal signifikant entlastet werden. Dank der Reduktion administrativer Aufgaben hat das Pflegepersonal nun mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung und die Vorbereitung bevorstehender Operationen.

Ein automatisch generierter monatlicher Report zeigt an, welche Produkte innerhalb der nächsten 6 Monate verfallen, sodass sie rechtzeitig verwendet oder ausgetauscht werden können. Wir erwarten weitere deutliche Kosteneinsparungen durch das verbesserte Bestandsmanagement. Unser System ist skalierbar auf alle Produkte mit einem RFID-Tag. In nächsten Schritten soll es auf weitere Produktbereiche und Implantate anderer Hersteller ausgeweitet werden. Die zunehmende Automatisierung und letztlich Vollautomatisierung der Bestellprozesse bleiben hierbei das langfristige Ziel.

Infobox
  • Anstelle nach einem Barcode auf der Verpackung zu suchen, kann nun ein RFID-Scanner einfach über die Verpackung geführt werden.

  • Die Arbeitszeitersparnis beträgt in vielen Bereichen über 90%.

  • Implantate mit RFID-Tag werden automatisch ausgelesen und erfasst. Alle für die Kontrolle relevanten Daten können so innerhalb von Sekunden abgerufen werden.

  • Durch die schnelle Erfassung der Implantate und automatische monatliche Reports können Verfallsdaten und Bestand effektiver gemanagt werden.


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Fazit

Die Einführung eines RFID-Implantat-Management-Systems in unserem Universitätsklinikum hat die Effizienz erheblich gesteigert. Die Arbeitszeit für die Implantatverwaltung wurde um über 90% reduziert, wodurch das Pflegepersonal entlastet wird und mehr Zeit für die Patientenversorgung bleibt. Die automatische Bestandsverwaltung und Verfallsdatenüberwachung senken Kosten und erhöhen die Versorgungssicherheit. Das System bietet großes Potenzial für weitere Optimierungen unserer Logistikprozesse.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Coustasse A, Tomblin S, Slack C. Impact of Radio-Frequency Identification (RFID) Technologies on the Hospital Supply Chain: A Literature Review. Perspect Health Inf Manag 2013; 10: 1d

Korrespondenzadresse

Dr. med. Carlos Pankratz
Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
Deutschland   

Publication History

Article published online:
22 January 2025

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Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Coustasse A, Tomblin S, Slack C. Impact of Radio-Frequency Identification (RFID) Technologies on the Hospital Supply Chain: A Literature Review. Perspect Health Inf Manag 2013; 10: 1d

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Abb. 1 Projekt-Roadmap. Meilensteine der Einführung des neuen RFID-Implantat-Management-Systems.
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Abb. 2 Implantaterfassung im OP. a Scanner zusammensetzen, einschalten, App öffnen. b Patienten-Barcode scannen oder manuell eingeben. c Mit aktiviertem Scanner RFID-Tags auf den Verpackungen verbrauchter Implantate, hier in einem Müllbeutel, mehrfach umkreisen. d Erfasste Implantate werden sofort in der Software angezeigt.