NOTARZT 2025; 41(01): 14-15
DOI: 10.1055/a-2361-5692
Journal Club

Behandlung von Intoxikationen in Periarrest-Situationen - Update der American Heart Association

Contributor(s):
Marc-Michael Ventzke
Lavonas EJ. et al.
2023 American Heart Association focused update on the management of patients with cardiac arrest or life-threatening toxicity due to poisoning: an update to the America Heart Association Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care.

Circulation 2023;
148: e149-e184
DOI: 10.1161/CIR.0000000000001161
 

Alle nationalen und internationalen Räte für Wiederbelebung befassen sich regelmäßig mit der Aktualisierung der jeweiligen Reanimationsleitlinien in gewissen Teilbereichen. Im Jahr 2023 hat die American Heart Association das Kapitel Intoxikationen überarbeitet und neue Empfehlungen herausgegeben.


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Das große Autorenteam um Eric Lavonas stellt den detaillierten Ausführungen zu einzelnen Intoxikationen der American Heart Association – dem amerikanischen Rat für Wiederbelebung – 10 wichtige Punkte voran. Insgesamt bearbeiteten sie strukturiert diverse Fragestellungen und sichteten neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Alles in allem bietet die Leitlinie zum „Management von Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand oder lebensbedrohlichen Intoxikationen aufgrund von Vergiftungen“ dem Kliniker eine Hilfestellung bei der Behandlung von Vergiftungen und vor allem bei Maßnahmen, die nicht regelhaft in der Klinik angewendet werden wie z. B. Antidota, venoarterielle extrakorporale Membranoxygenierung (vaECMO) etc.

Intoxikation – ein relevantes Problem?

Innerhalb eines Jahres starben in den USA über 100000 Einwohner an Vergiftungen und Medikamentenüberdosierungen. Die Zahlen nahmen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um fast 30% zu. Vor allem wird durch die Opiatkrise in den USA nochmals deutlich: Opiatintoxikationen sind bei den Vergiftungen mit 75% der Fälle Hauptursache für einen Kreislaufstillstand.


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Warum ein separates Leitlinienkapitel?

Die Endstrecke der Vergiftung – der Kreislaufstillstand – ist ein Krankheitsbild, dessen Behandlung klar in Leitlinien definiert und wohl bekannt ist. Die pathophysiologischen Vorgänge, wie es zur Reanimationssituation kommt, unterscheiden sich jedoch teilweise erheblich zu den sonstigen reversiblen Ursachen, ebenso wie deren Therapie.

So reagiert beispielsweise die Bradykardie einer Beta-Rezeptorenblocker-Intoxikation nicht adäquat auf Atropin, sondern bedarf einer Hochdosis-Insulin-Therapie. Bei einer Zyanidvergiftung beseitigt applizierter Sauerstoff die auf mitochondrialer Ebene entstehende Hypoxie nicht – diese muss durch spezifische Antidota therapiert werden. Der vaECMO kommt in diesem Zusammenhang ein besonderer Stellenwert zu, da sie die Zeit der spezifischen und speziellen Therapie zu überbrücken vermag.

Die Leitlinien sind für das nordamerikanische medizinische Personal geschrieben. Dennoch stehen Rettungs-, Pflegekräfte und Ärzte in den USA vor demselben Problem wie in Europa: Die Reanimation an sich und die Intoxikation als Ursache ist ein seltenes Ereignis. Zudem existiert eine schier unüberschaubare Menge an chemisch definierten und nicht definierten Stoffen, die einen Kreislaufstillstand hervorrufen können. Die Datenlage ist teilweise sehr schwach, und Behandlungsempfehlungen basieren bisweilen nur auf pathophysiologischen Herleitungen und Expertenempfehlungen.

Im Leitlinienkapitel behandeln die Autoren die häufigsten Intoxikationen durch beispielsweise Medikamente (Benzodiazepine, Opiate, Beta-Rezeptorenblocker, Kalzium-Kanal-Antagonisten, Natrium-Kanal-Blocker, Lokalanästhetika, Herzglykoside etc.), Drogen (Kokain, Sympathomimetika etc.) und andere, wie Zyanide, Carbamate, Organophosphate usw.

Im Rahmen der medikamentösen und Antidottherapie gehen Levonas und Kollegen auf spezifische Medikamente wie Naloxon, Flumazenil, Digitalis-Antikörper etc. und die symptomatische Therapie durch Sedativa ein.


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Hämodialyse und vaECMO

Neben der Hämodialyse als Verfahren der Giftelimination, die bei bestimmten Stoffen beschrieben wird, widmen sich die Autoren in einem Unterkapitel speziell der vaECMO. Auch wenn die Datenlage schlecht ist, so deuten doch Beobachtungsstudien darauf hin, dass Patienten durch die vaECMO bei einer Vergiftung ein besseres Endergebnis haben können. Die Vorstellung ist, dass die vaECMO-Therapie die Zeit bis zur Giftelimination – sei es durch den Körper selbst, Medikamente oder anderweitige spezifische Therapie – überbrücken kann.

Fazit

Die Datenlage zur Therapie lebensbedrohlicher Intoxikationen ist wegen der heterogenen Vielzahl an Stoffen und der Seltenheit des Ereignisses schwach. Die Autoren formulieren in ihrem Leitlinienupdate Therapiehinweise für definierte Intoxikationen auf der Basis vorhandener Daten und Expertenmeinungen.


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Dr. med. Marc-Michael Ventzke


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Publication History

Article published online:
03 February 2025

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